Frau Brigadier Pollak mit Wurzeln in Kroatien

Der Berufsweg führte Eugénie Pollak über verschiedene Stationen zur Stelle Chef Frauen in der Schweizer Armee. Brigadier Pollak hat in den 1990-er Jahren die Integration der Frauen in die Armee massgeblich mitgeprägt und mitgestaltet. Mit der Stadt Bjelovar in Kroatien verbindet die fünffache Grossmutter Kindheitserinnerungen an Erzählungen von ihrem Vater über das Sommerhaus und den Weinberg. Welchen Bezug Eugénie Pollak heute zu ihren Wurzeln hat und wie es kam, dass sie zum Brigadier ernannt wurde, erzählt sie im Interview mit der LIBRA.

Ihre Mutter war Schweizerin und Ihr Vater wuchs in Bjelovar auf. Wo haben sich Ihre Eltern kennengelernt?

Die jüdische Familie meines Vaters lebte in Bjelovar. 1941, im zweiten Weltkrieg, flüchtete mein Vater zusammen mit einem Bruder über Italien in die Schweiz. Der Bruder reiste weiter nach Paris. Im Schweizer Flüchtlingslager lernte mein Vater meine Mutter kennen. Sie arbeitete dort als Sozialarbeiterin, wie man heute sagen würde. Sie haben geheiratet und so ist mein Vater in der Schweiz geblieben. Sein Vater und zwei Brüder sind in einem Konzentrationslager umgekommen.

Hat Ihr Vater viel von seiner Zeit in Bjelovar und der Flucht erzählt?

Es war schwierig, mit meinem Vater über seine Heimat zu reden. Die ganze Flucht hat ihn sehr belastet. Er wollte nicht darüber reden und wir sprachen ihn nicht darauf an. Alles, was mein Bruder und ich über die Flucht wissen, haben wir von unserer Mutter erfahren. Dafür hat mein Vater gerne über sein Sommerhaus geredet, die Gegend und den Weinberg, der seiner Familie gehörte. Das würde ich gerne mal sehen. Mein Bruder und ich hatten schon immer den Wunsch, unseren Wurzeln nachzugehen. Er noch viel mehr als ich, denn er fühlt sich eher entwurzelt. Ich fühle mich als Schweizerin mit einem kroatischen und einem jüdischen Bein. Alles gehört zusammen und das habe ich auch immer betont.

Was bedeuten Ihnen die jüdischen Wurzeln?

Ich fühle mich als Jüdin. Als ich zum Chef des Militärischen Frauendienstes gewählt wurde, betonte man sogar, dass ich Jüdin bin. Aber ich gehöre dieser Religion nicht an. Mein Bruder und ich sind ohne Kirche aufgewachsen und das war spannend: mein Vater ein Jude und meine Mutter eine erklärte Atheistin. Ich konnte frei aufwachsen und mir meinen eigenen Glauben zusammenstiefeln. Das empfinde ich als grossen Vorteil.

Haben Sie mit ihrem Vater kroatisch gesprochen?

Nein, wir sprachen eigentlich immer deutsch. Bis ich vier Jahre alt war, lebten wir in Indien. Dort sprachen wir Englisch. Danach lebten wir in Bern. Weil mein Vater gebrochen Schweizerdeutsch sprach, sprach er Hochdeutsch und wir Berndeutsch. Ich habe die kroatische Sprache sehr gerne. Vor ein paar Tagen hörte ich in einem Warenhaus, wie ein Grossvater seinem Enkel das Zählen beibrachte: jedan, dva tri und so weiter. Mein Bruder und ich haben als Kinder auch gelernt, bis zehn zu zählen.

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