Marulić und die Reformatoren in der Schweiz

In der Schweiz von heute ist der Name Marko Marulić nur wenigen ein Begriff. Doch in der Schweiz von gestern, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, erfreute sich der Humanist aus Dalmatien (1450 bis 1524) einer treuen Leserschaft. Zwischen Genf und Schaffhausen finden sich bis heute stattliche 113 seiner überwiegend im 16. und 17. Jahrhundert gedruckten Werke – einige davon auch in der Zentralbibliothek Solothurn, wo sie im Dezember 2021 im Original ausgestellt waren.

Durch die Erfindung des Buchdrucks 1440 durch Johannes Gutenberg in Deutschland und den europaweiten Gebrauchs des Lateinischen kamen ab dem 15. Jahrhundert neue Ideen und Gedanken schneller unters Volk. Und so war auch in der Schweiz die Renaissance geprägt von einer rasch an Boden gewinnenden, protestantischen Reformation. Wenig bekannt ist, dass die Schweizer Reformatoren mit zur treuen Leserschaft des kroatischen Humanisten zählten. Sein wichtigstes Werk, «De institutione» wurde schon zu seinen Lebzeiten auch in Basel gedruckt, wo die Buchdruckkunst im 16. Jahrhundert in höchster Blüte stand.

Marulić teilte zwar die Ansicht der Reformatoren, dass die Evangelien und Bibel direkt im Zentrum des Glaubens stehen sollten, blieb aber selbst dem Papst treu. Es ist gut möglich, dass er als Bürger von Split noch grössere Probleme hatte als die nordeuropäischen Reformatoren: Während sich diese mit dem Vatikan um «innerchristliche» theologische Differenzen und klerikale Korruption stritten, mussten Dalmatien und Split Acht geben, um nicht, wie das einige Dutzend Kilometer landeinwärts gelegene Bosnien, unter ottomanische Herrschaft zu geraten – was dann, besonders bei der Elite, wie in Bosnien einen starken Druck zur Konversion zum Islam zur Folge gehabt hätte.

Dennoch musste es Marulić über sich ergehen lassen, dass sein «De institutione», wegen einer Passage über die «nützliche Lüge», von der päpstlichen Inquisition verboten wurde und auf dem Scheiterhaufen und dem Index der verbotenen Bücher landete. Er selbst geriet dadurch im Vatikan unter den Verdacht der Häresie. Dies trug sicherlich dazu bei, sein Ansehen als Autor unter den offen der Häresie angeklagten Schweizer Reformatoren zu steigern. So waren die Jahre 1529 und 1530 in Solothurn selber Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Reformatoren und Rom-Treuen. Während Solothurn zuletzt katholisch blieb, wechselten 1528 erst Bern, dann 1529 Basel zur Reformation.

Marulić liebte auch Dichtkunst und Epik: Im Dezember 2021 feierte Kroatien das 500-jährige Jubiläum der ersten Druckausgabe seines Alterswerks «Judita», dem ersten kroatisch geschriebenen Epos, über die biblische Judith – jener jüdischen Heldin aus dem Alten Testament, die den betrunkenen Perserhelden Holofernes erst verführte und ihm dann den Kopf abschlug.

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